Reportage: KulturWind XXIII – Kosmopolitanien

Einen interessanten Abend verbrachten die Zuhörer bei der Tandemlesung vom 24.04.2015 im FuNTASTIK in der Meißener Str. 7 in Bergheim. Rund 30 Literaturfreunde waren der Einladung des SüdWestWind und des Deutschen Schriftstellerverbands gefolgt. Bürgermeisterin Maria Pfordt hatte ihre Kollegen in einer Konferenz im Rathaus alleine gelassen und bereute es nicht, dabei gewesen zu sein.

Folgt man der Vita von Dragica Schröder, so ist sie die Vorzeigemigrantin schlechthin. Sie wurde 1948 in Miloševo bei Jagodina/Serbien geboren und kam 1973 als Übersetzerin und Autorin nach Hilden im Rheinland. „Eigentlich“ – bekennt sie – „wollte ich nur meine Deutschkenntnisse verbessern, um in meiner Heimat mehr Geld zu verdienen.“ Aber alles kam ganz anders. Sie, die immer mehr feststellte, dass ihr Herz der Poesie gehörte, schrieb vermehrt Gedichte und Geschichten für Kinder und Erwachsene in serbischer und deutscher Sprache. Das brachte ihr zahlreiche Literaturpreise ein und – gut für Hilden – sie lernte ihren Ehemann kennen, mit dem sie den Jugoslawisch-deutschen Kulturverein in Hilden gründete. Die Stadt Hilden kooperiert mit zahlreichen Migrantenvereinen und verlieh ihr 2011 die Hildener Stadtwappen- und Fabricius-Medaille in Bronze in Würdigung ihrer besonderen Verdienste um das Wohl der Stadt.

Mit ihrem Lesevortrag im FuNTASTIK vermittelte Dragica Schröder in Gedichten und Kurzgeschichten, wie sie ihr zweites Leben in Deutschland genießt und wie sehr sie die Stadt liebt. Eines ihrer Gedichte trägt den Titel ‚Mein Hilden’, ohne dass sie je ihre Heimat vergessen hat, die sie regelmäßig besucht. Sie thematisiert auch das Kriegsgeschehen von 1999 in ihrer Heimat, das sie – wie könnte es anders sein – aus Sicht ihrer Landsleute schildert und das für sie ein ewiges Trauma bedeutet.

Dragica Schröder ist ein Energiebündel mit einer sehr positiven Ausstrahlung. Aus ihrem Gedichtband Heimliche Königin hier einige Strophen des Gedichts ‚Ein Kosmopolit’:

Dein Vater ist von hier
Die Mutter von dort
Aber du bist heimisch
Stets an jedem Ort…

Du kannst viele Sprachen
Und kennst jeden Hit,
du bist ein Weltenbummler,
ein echter Kosmopolit

Du verbindest Menschen
Pflegst viele Kulturen,
du bist es de facto
aber nicht de jure…

Du kämpfst für die Menschen
Aller Kontinente
Teilst die Liebe auf
In kleinste Fragmente…

Erkenntnisse gibst du
Aus Erfahrung weiter,
dein Gemüt ist sonnig
und dein Herz ist heiter…

Du bist nicht aus Ungarn
und auch nicht aus Spanien,
du bist ein Weltbürger
aus Kosmopolitanien.

Igor Rems, der zweite Vorleser des Abends, ist Dichter und Maler mit offensichtlich gleicher Leidenschaft. Der Malerpoet wurde 1957 in Bar/Montenegro geboren und lebt seit 1993 in Köln. „Seine Gedichte sind der modernen serbischen Lyrik zuzuordnen“ sagt der bekannte serbische Maler, Bildhauer und Poet Andrija Gvozdenović über Rems. „Seine Helden sind verkörpert durch die eigenwillig gewählte Figur des Wanderers.“

Drei von ihm im FuNTASTIK ausgestellte Werke lassen erahnen, dass ihn Farben faszinieren, wie auch das Geheimnis etruskischer Stille. Man kann auf YouTube 40 seiner Werke betrachten und erkennen, dass er mit kräftigen Federstrichen malt und damit strahlende Landschaften, Flüsse, Brücken, Kathedralen, Klöster, Zypressen, Pappeln, blühenden Mohn und goldene Sonnenblumen hervorbringt.

Igor Rems las für uns aus seinem Gedichtband ‚Wallfahrten’. Der verstorbene Humanist und Kunstkritiker Predrag R. Dragić Kijuk drückt es so aus: „Seine Lyrik wird zu einem Suchen nach dem höheren Sinn, nach ökumenischer Symphonie und geprägt durch das Bedürfnis, im Schlüssel zur mediterranen Mythologie und der Welt der Symbole die Balance zum Verlauf der Zivilisation durch die Zeit zu finden.“

DIE SONNENBLUME beschreibt Igor Rems so:

Das Auge geöffnet
Sichtbar der ganzen Welt

Im goldenen Rund
Den Wind einquartiert
Den Himmel anvisiert

Auf dem Dach der Welt
Weist die Ebene den Weg

Abends die glühende Krone gefaltet
Inwendig traurig
Für einen leichteren Traum

Aufgelockert wurde die Veranstaltung durch einen musikalischen Auftakt – Sarej Hajabi spielte den Ungarischen Tanz Nr. 5 von Johannes Brahms – sowie ein musikalisches Intermezzo von Christian Kaltchev. Mit seinem Gitarrensolo Serenata Española von Joaquin Malats eroberte er auf Anhieb die Herzen der Zuhörer. Die beiden Jugendlichen, 14 Jahre alt, sind hoffnungsvolle Schüler von Professor Dr. Eghbal Hajabi bzw. Dimitr Kaltchev. Beide Lehrer sind bekannte Größen in Bergheim.

Für den SüdWestWind und die Kulturkreisler
Ursula Schlößer