Hesse, Hosseini, von Hirschhausen und die Bürgschaft von Schlößer

Frühlingsfest mit Lesetest in SüdWest

Das Wetter hatte leider so gar nichts Frühlingshaftes. Der 26. März war eher als kühl und regnerisch einzustufen. Das hatte offenbar viele potentielle Besucher entmutigt und das Vereinsfest startete um 16:00 Uhr im ‚kleinen Kreis’. Immerhin hatte das Bring-Buffet einige Leckereien aufzuweisen, an denen man sich gütlich tat und lockere Unterhaltungen kamen schnell in Gang. Eine Abordnung der Musikgruppen von Professor Hajabi in Gestalt von Freddy, Mark, Jenny und Pepe erfreuten uns mit einigen Songs.

Der große Besprechungsraum war für die 1. Literatur-Session mit Stuhlreihen und einem Lesepult vorbereitet. Um 17:00 Uhr kam ich dann mit der Darbietung erster Kostproben für das Projekt ‚Literatur im FuNTASTIK’ an die Reihe. Zu meiner großen Freude hatten sich mehr als ein Dutzend Interessenten eingefunden, die sehr gespannt waren, was hier zu Gehör gebracht werden sollte. Natürlich hatte ich mir ziemlich viele Gedanken gemacht. Je breiter das Spektrum – je mehr Zuschauer halte ich bei der Stange, war meine Überlegung. Ich begann mit Hermann Hesse:

Alle Bücher dieser Welt
Bringen dir kein Glück,
Doch sie weisen dich geheim
In dich selbst zurück.

Dort ist alles, was Du brauchst,
Sonne, Stern und Mond,
Denn das Licht, danach du frugst,
In dir selber wohnt.

Weisheit, die du lang gesucht
In den Büchereien,
Leuchtet jetzt aus jedem Blatt –
Denn nun ist sie dein.

Da ich auch auf reiferes Publikum vorbereitet war, bot ich an, die Bürgschaft von Friedrich von Schiller vorzulesen. Ich schaute auf und fragte in die Runde ‚Wer kennt sie nicht?’ Anscheinend kaum jemand. Mein Hauptvorschlag war Drachenläufer von Khaled Hosseini, die wohl spannendste Geschichte von Freundschaft, Verrat, Schuld und Wiedergutmachung um zwei junge Afghanen, die tiefen Einblick in deren Kultur und Heimat gewährt, wie sie den Wenigsten bekannt ist. Die Kurzbeschreibung und das Vorwort machten neugierig, aber die Zeit fehlte, um in der eigentlichen dramatischen Geschichte Fuß zu fassen.

Deshalb las ich einen Abschnitt aus Dr. med. Eckart von Hirschhausens ‚Die Leber wächst mit ihren Aufgaben’: Diät – Die Löcher-im-Käse-Theorie. Die Vorstellung, die Käselöcher bestünden aus einer Antimaterie, die über Nacht im Magen Gravitationsmasse aus dem Weltall anzöge, fanden alle äußerst amüsant und spendeten lachend Beifall. Die erste Schlacht war geschlagen. Zumindest hatte ich das Publikum unterhalten.

Inzwischen hatte der Regen aufgehört und auf der Terrasse tummelten sich plötzlich viele Kinder und Jugendliche, teilweise mit Eltern. Für diese Überraschung war Gule Hajabi verantwortlich, die in den Räumen der ASH seit ca. 6 Wochen kaukasische Folklore einstudiert und offensichtlich hierfür schon viele Anhänger gefunden hatte. Die jungen Leute tanzten mit unbändiger Lebensfreude und beherrschten bereits erstaunlich viele Schrittkombinationen und rhythmische Elemente, so dass die meisten Zuschauer zum Takt der Musik begeistert mitklatschten und die jungen Tänzerinnen anfeuerten. Gule Hajabi betont, dass sie auf noch mehr TeilnehmerInnen hofft und auch Tänze aus anderen Teilen der Welt in ihrem Programm hat.

Nach dieser Vorführung gab es keine neuen Interessenten für die vorgesehene 2. Session in Sachen Literatur. Aber zwei Vereinsmitglieder wollten mehr über die Bürgschaft erfahren. Gerne erklärte ich, was es mit dieser Ballade auf sich hat und las sie nur für die beiden. Die Geschichte rührte auch ihr Herz und ich erklärte, dass einer unserer deutschen Dichterfürsten, nämlich Friedrich von Schiller diese geschrieben habe. Darauf bekam ich zu hören: ‚Für uns ist das jetzt die Bürgschaft von Schlößer’. Ich war perplex und schickte ein Stoßgebet der Entschuldigung an Friedrich.

Ganz leger klang unser Frühlingsfest gegen 20:00 Uhr aus.

Für den SüdWestWind
Ursula Schlößer